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Der Altar des Wortes wird gedeckt, weil das Wort auf den Altar kommt.

 (Die uns schon bekannten miteinander befreundeten Ministranten treffen sich wieder vor der Kirche und kommen ins Gespräch.)

 

X.: Guten Tag. Hier hör mal rein, was ich mir gegönnt habe.

 

Y.: Hey, was ist denn das? Doch nicht etwa?

 

X.: Ja! Choral. Gregorianischer Choral. Voll cool.

 

Y.: Und so was hörst du? Freiwillig?

 

X.: Warum denn nicht? Ist doch schön.

 

Y.: Aber Latein.

 

X.: Ja, trotzdem schön.

 

Y.: Ist ja ein Ding. Heute wollen die Jugendlichen gregorianischen Choral, weil er schön ist. Damals dachten sie, es sei ein Gottesdienst, wenn sie irgendwelchen Lärm produzieren, wie man ihn bei Rockbands macht.

 

X.: Klar Mann. Man muss doch mit der Zeit gehen. Das ist die voll aktuelle Musik.

 

Y.: Voll aktuell? Ich würde eher mal sagen, dieser Gesang ist und war immer aktuell, weil er zeitlos ist. Und gerade deswegen kommt er jetzt auch bei dir so gut an. Aber aktuell im üblichen Sinne ist das nicht.

 

X.: Ja, ich weiß, dieser Papst Gregor hatte sich diesen Gesang vor vielen Jahrhunderten ausgedacht.

 

Y.: Nein, er ist nicht der Urheber. Er förderte diese Art von liturgischem Gesang zu seiner Zeit und Generationen von Mönchen des Mittelalters haben das dann zur Vollendung gebracht. Weißt du, diese Gesänge sind gewachsen aus der jüdischen Liturgie des Alten Bundes. Diese Anfänge wurden in die christliche Liturgie übernommen. Und so wuchs dieser Gesang mit dem Stundengebet und mit der heiligen Messe und für diese. So wurde er organisch, zudem was wir kennen. Und wir schöpfen heute aus diesen Quellen, die die Mönche uns vor eintausend und noch mehr Jahren eröffnet haben.

 

X.: Aber im Mittelalter gab es noch keine Charts, so wie heute, wo die Lieder von irgendwelchen Sängern oder Gruppen nach Erfolg aufgelistet werden. Und da mischen heute gregorianische Choralscholen mit ihrem Gesang manchmal ganz weit vorne mit.

 

Y.: Ja, das ist wirklich Gesang und nicht Gekreische. Ist aber schon irgendwie abgedreht, diesen Gesang nur unter diesem Aspekt zu sehen. Der gregorianische Choral ist für den liturgischen Gebrauch. Das wird da völlig ausgeblendet und für ein innerweltliches Wohlfühlerlebnis zweckentfremdet.

 

X.: Die aktuelle, also moderne Musik wird ja auch in der Liturgie gespielt und gesungen.

 

Y.: Ja, sehr zum Leidwesen vieler Gläubiger und entgegen einer ausdrücklichen Weisung der Glaubenskongregation. Aber was du moderne „Musik“ von heute nennst, ist doch gar keine wirkliche Musik. Eigentliche Musik ist melodiebetont, war ganz früher sogar völlig ohne Takt. Heute ist die "Musik" stark rhythmusbetont, oft amelodisch, neuerdings teils völlig melodielos nur noch bumbum. Echte Musik ist ihrem Wesen nach harmonisch und damit naturgemäß, also die Schöpfung abbildend, wirkt belebend. Heute ist die "Musik" dissonant und damit naturwidrig, also zerstörend und tötend.

 

X.: Zumindest manchmal nervtötend. Und manchmal hab ich auch den Verdacht, wenn bei uns in der Familienmesse irgendwelche neuen Lieder gesungen werden, dass die gar nicht die Kinder oder Jugendlichen ansprechen, sondern die Leute vom Liturgiekreis sich selbst verwirklichen wollen.

 

Y.: Du meinst jetzt die ganzen seichten Liedchen, die heute gesungen werden, in den sogenannten Kindermessen, und Jugendmessen und wie sie alle heißen, hattest du ja selbst letztens aufgezählt. Lieder, die zwar ziemlich melodisch, aber meist ohne wirklichen spirituellen Tiefgang und oft sogar fraglicher Katholizität sind. Tja, weiß auch nicht, was das bringen soll?

 

X.: Ja, diese wirklich flachen Lieder die oftmals auch in den normalen Gemeindemessen gesungen werden ziehen mich auch nicht an. Und dann diese Ich-Bezogenheit. So oft besinge ich mich selbst oder wir uns und singen, was über Gott wie wir ihn uns vorstellen, aber kaum jemals wird er im Lied angesprochen. Vielleicht sollte ich mal den Pfarrer fragen, ob wir nicht eine Choralschola in der Pfarrei gründen?

 

Y.: Gute Idee. Wo ich früher gewohnt habe, da gab es eine Ministrantenschola. Und die Jugend will immer das Echte das Identitäre. Da würde eine Ministrantenschola gut passen.

 

X.: Bräuchte man nur noch eine gute Begründung um denen das schmackhaft zu machen und sie zu motivieren mit zu singen.

 

Y.: Argumentiere doch einfach damit, den „Tisch des Wortes“ reicher decken zu wollen. Obwohl ich diese Formulierung dämlich finde.

 

X.: Aber dazu gibt es doch schon zwei Lesungen in der Hl. Messe.

 

Y.: Von denen aber meist doch nur eine vorgelesen wird.

 

X.: Stimmt, paradox. Aber was hat denn bitte der gregorianische Choral damit zu tun, den „Tisch des Wortes“ reicher zu decken?

 

Y.: Ganz einfach, weil im Gegensatz zu dem was meist gesungen wird, das ganze Proprium komprimierte und kompilierte Heiligen Schrift ist.

 

X.: Was ist denn jetzt bitte das ganze Proprium?

 

Y.: Das sind die wechselnden Teile der heiligen Messe wie Introitus, Graduale, Offertorium, Communio. Diese Stücke sind gesungene Ausschnitte der Heiligen Schrift, die von spirituell erfahrenen, kontemplativen Mönchen extrahiert, komponiert, optimiert und tradiert wurden. Also von Menschen die ganz in dieser Liturgie gelebt haben, die große Teil der heiligen Schrift auswendig konnten, die ganz davon durchdrungen waren, weil ihr ganzer Tagesablauf ein einziger Gottesdienst war. In manchen Klöstern ist das heute noch so. Das sind die ohne Nachwuchssorgen.

 

X.: Und warum gefällt dir nun schon wieder die Formulierung „Tisch der Wortes“ nicht? Ich finde, du hast immer und überall etwas rum zu meckern.

 

Y.: Da die Heilige Messe ein Opfer und kein Mahl ist, gibt es da keinen Tisch, sondern einen Altar und zwar genau einen. Nicht sowohl einen des Wortes als auch einen anderen des Sakramentes.

 

X.: Jetzt kommt bestimmt gleich wieder dein Zitat von Pius XII. aus Mediator Dei.

 

Y.: Deswegen werden beim alten Ritus auch sowohl die Lesung als auch das Evangelium und dann noch das Schlussevangelium vom Altar aus gelesen. Es ist doch einen Einheit. Insgesamt wird auch der sogenannte „Tisch des Wortes“ im alten Ritus viel reicher gedeckt, erst recht weil da gemäß der Weisung des Konzils viel häufiger das Proprium gesungen wird.

 

X.: Da gibt es noch mal am Schluss ein Evangelium? Was soll denn so eine Verdoppelung?

 

Y.: Das Schlussevangelium ist immer dasselbe, nämlich der Prolog des Johannesevangeliums. Das ist höchste Philosophie und Theologie. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott.“

 

X.: Ach das. Kenn ich. Irgendwie seltsam. Was soll das?

 

Y.: Das Schlussevangelium ist vielleicht vordergründig seltsam. Aber wer länger drüber nachdenkt, der erkennt, dass es geradezu genial ist, genau diesen Text dort immer zu beten. Denn es ist die Zusammenfassung des soeben Geschehenen, weil ja das Wort zum Sakrament wird, sodass man sagen könnte: Der Altar des Wortes wird gedeckt, weil das Wort auf den Altar kommt. Denn es heißt „und das Wort ist Fleisch geworden.“ und dann weiter bezüglich der Hl. Kommunion „und hat unter uns gewohnt“.

 

X.: Da muss ich jetzt erst mal drüber nachdenken. Tschüss.

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